Wie im Großen so im Kleinen

Stadt Neunkirchen
Stadt Neunkirchen

Jeder Bürger ist berechtigt, bei den öffentlichen Sitzungen der kommunalen Gremien teilzunehmen. Das hat eine Leserin gemacht und berichtet über ihre Erlebnisse:

Zur Einordnung / Hintergrundinformation
Neunkirchen ist mit rund 49.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt im Saarland. Die Stadt wird geleitet vom SPD- Oberbürgermeister Aumann, der gleichzeitig auch Vorsitzender des Städte- und Gemeindetages ist. Neunkirchen hat einen Ausländeranteil von ca. 10%.
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Mein Name ist Elisabeth Jost (44), gehöre keiner Partei an und war das erste Mal auf einer
Stadtratssitzung. Ich beobachte die politische Entwicklung und das Abdriften unserer Demokratie
hin zum Totalitarismus schon seit mehreren Jahren, Nun aber ist sie so arg in Schieflage geraten,
dass ich das nicht mehr so einfach hinnehmen kann und beschloss, mich mehr einzubringen.
E-Mails an Abgeordnete im Bundes- und Landtag, Anfragen über abgeordnetenwatch.de oder
Fragen über Fragen-den-Staat.de, die Teilnahme an verschiedenen Demonstrationen und
Montagsspaziergänge sowie verschiedene Petitionen liefen leider ins Leere.
Inspiriert durch Dr. Rainer Mausfeld und Dr. Wolfgang Wodarg beschloss ich daraufhin mich auf
kommunaler Ebene einzubringen und so nahm ich zum ersten Mal an einer Stadtratssitzung teil.
Das Positive zuerst:
Ich war über den großen Teilnehmerkreis überrascht. Schätzungsweise 20 Stadtratsmitglieder –
größtenteils ehrenamtlich – waren anwesend. Hinzu kamen der Oberbürgermeister Aumann, der
auch die Sitzung leitete, 2 Schriftführerinnen, 3 Ortsratsmitglieder der unterschiedlichen Stadtteile
sowie ca 10 Fachabteilungsleiter der Verwaltung Neunkirchen plus Menschen der Verwaltung mit
unterschiedlichen Funktionen wie z.B die Frauenbeauftragte.
Auf der Tribüne konnten die Gäste bzw. die Besucher Platz nehmen.
Nach anfänglicher Verwirrung meinerseits, da die Plätze nicht ausgewiesen wurden, nahm ich
wahr, dass ich wohl die einzige Besucherin an diesem Tag war.
Kaffee und Kaltgetränke standen in ausreichender Menge vor und in dem Sitzungssaal zur
Verfügung. Es wurde pünktlich begonnen und die ersten Punkte der Tagesordnung zügig
abgearbeitet. Das waren sie auch schon, die positiven Punkte.
Nun beschreibe ich die Dinge, die mir als objektive Beobachterin negativ aufgefallen sind:

  1. Die Agenda der Sitzung war 3. Tage! vorher noch nicht veröffentlicht. Eine E-Mail an die 4
    Fraktionsvorsitzenden mit der Bitte mir die Tagesordnung zu kommen zu lassen, wurde immerhin
    von 2 Abgeordneten beantwortet.
  2. Zu Beginn der Sitzung wurde die Niederschrift der letzten Sitzung zur Abstimmung vorgelegt.
    Dabei kam es wohl zu einem Missverständnis wegen eines Zeitfensters. Der Oberbürgermeister schnauzte ein Stadtratsmitglied an, der darauf aufmerksam machte, an. Hier wurde mir zum ersten Mal der selbstgefällige Ton des OBs bewusst. Ein Abteilungsleiter klärte das Missverständnis auf und entschuldigte sich für die unpräzise Angabe. Eine Entschuldigung von Seiten des OBs – Fehlanzeige.
  3. Ein Abgeordneter, welches einen Antrag für diese Sitzung einreichen wollte, monierte die Zustellfrist. Konkret ging es darum, dass alle Anträge 14 Tage vorher eingereicht werden müssen.
    Dies regelt die entsprechende Vorschrift. Das tat der gewählte Vertreter fristgerecht, jedoch erst gegen 18.00 Uhr.
    Daraufhin bekam er zur Antwort, dass nach 16.00 Uhr niemand mehr im Rathaus erreichbar ist
    und er damit die Frist versäumt habe. Zurecht beklagte der Abgeordnete, dass selbst beim
    Finanzamt die Frist erst um 0.00 Uhr endet und nicht mit Dienstschluss der jeweiligen
    Verwaltungsangestellten. Hier hätte ich Solidarität der anwesenden Stadträte erwartet bzw.
    Widerspruch. Die unverschämte Antwort des Herrn Aumann einfach nur hinzunehmen, stellt für mich eine weitere Unverschämtheit dar.
  4. Beim Tagesordnungspunkt 12 ging es dann um einen Antrag der FDP-Fraktion (bestehend aus
    einem Mann), der die Schließung des Neunkircher Zoos beantragte.
    Ich selbst kenne den Antrag nicht, aber was dann in der Runde losbrach, hätte ich mir als
    Diskussion unter Erwachsenen nicht vorstellen können. Hat er beantragt die Tiere alle zu erlegen?
    Ich nehme vorweg: Es ging um die Schließung wegen permanenter Unterfinanzierung.
    Die „Diskussionsrunde“ wurde eröffnet und Wortmeldungen notiert. Diese Beiträge waren
    dermaßen inhaltsleer, emotionsgeladen und polemisch, dass ich auf meinem Zuschauerplatz ein „Ola, ola, ola“, nicht mehr zurückhalten konnte. Kleine Kostprobe gefällig? Bitteschön:
    „Hast du was geraucht oder warst du besoffen?“
    „Ich bin hier schon lange im Stadtrat und vermutlich der Dienstälteste, aber so etwas war noch
    nicht da“.
    „Am Neunkircher Zoo hängen meine Kindheitserinnerungen“….
    Kurz gesagt, es wurde außer des touristischen Anziehungspunkts für die Stadt kein einziges
    Sachargument vorgetragen. Der aufgeschreckte Kindergarten war leider nicht in der Lage eventuell darüber nachzudenken, ob der Anziehungspunkt für die Stadt, der mehr kostet als einbringt, wirklich so sinnvoll ist, ober ob man das Konzept des Zoos überarbeiten könnte o.ä.
    Dann wurden noch Scheinargumente wie Naturschutz und Arbeitsplätze ins Feld geführt.
    Jedoch wurden zuvor nicht sozialpflichtige Arbeitsplätze genehmigt. Dieser (nur mir?) erkennbare Widerspruch wurde nicht aufgelöst.
    Das Thema Tierwohl kam kein einziges Mal zur Sprache. Und wer den Neunkircher Zoo kennt, sieht die Problematik z.B. bei den Elefanten und den Großkatzen.
    Der Antragsteller zog schließlich seinen Antrag zurück. Ob er diesen als Provokation gestellt hat, um auf die finanzielle Situation aufmerksam zu machen, vermag ich nicht so sagen, aber es schien fast so.
    Nach dem Ende der öffentlichen Sitzung wurden Besucher und andere Teilnehmer hinasgebeten, um Nicht-Öffentlichkeit herzustellen.
    So weit so gut. Diese kleine Pause wurde im Foyer genutzt, um einen Kaffee zu trinken und sich etwas auszutauschen.
    Leider kam keiner der Stadträte mal auf mich zu und suchte das Gespräch mit mir. Was hätte ich auch in diesem Moment sagen sollen. Dafür war ich noch zu geschockt.
    Mein Fazit:
    Es wird höchste Zeit, dass sich die Bürger in den Kommunen engagieren und den „Statthaltern“ auf die Finger schauen.